Gründungs­sensibilisierung und Gründungs­qualifizierung an Hochschulen

Fähige Menschen für die Möglichkeit einer Unternehmensgründung zu sensibilisieren und zu qualifizieren, ist eine der Hauptaufgaben der Gründungsförderung an Hochschulen. Das bedeutet, sie zunächst überhaupt auf diesen möglichen Berufsweg mit all seinem Für und Wider aufmerksam zu machen und sie zu befähigen, diesen Weg auch zu gehen.

Die Aufgabe hat dabei mehrere Dimensionen, dazu zählen unter anderem: vielfältige (Lehr-)Veranstaltungen, in denen Hochschulangehörige mit dem Thema in Kontakt kommen und inhaltlich auf das Leben als Gründerin beziehungsweise Gründer vorbereitet werden, öffentliche Kommunikation der Hochschulangebote zur Gründungsförderung sowie zielgruppenspezifische Ansprachen und  Informationsaufbereitungen. Im Folgenden wird ausgeführt, was die Hochschulen leisten, um der Aufgabe der Gründungssensibilisierung und -qualifizierung gerecht zu werden.
 

Entrepreneurship- und Gründunsforschung an Hochschulen
Der Themenbereich Gründungen und Entrepreneurship wird an den Hochschulen auch wissenschaftlich untersucht. Erkenntnisse aus dieser Forschung sowie das bei dem zuständigen wissenschaftlichen Personal vorhandene Know-how können bei der Gründungssensibilisierung und -qualifizierung helfen; die Lehrstuhlinhaberinnen und -inhaber mit Denomination in der Gründungsthematik sind in der Regel gut in der Gründungsförderung eingebunden oder sogar für diese verantwortlich. An immerhin 69 Prozent der antwortenden 184 Hochschulen ist eine derartige Gründungsprofessur vorhanden. Insgesamt gaben die Hochschulen 266 Lehrstühle zu dem Thema an. Diese Angabe liegt deutlich über den 146 vom Förderkreis Gründungs-Forschung e.V., einer wissenschaftlichen Vereinigung für Entrepreneurship, Innovation und Mittelstand, gelisteten Professuren zu Entrepreneurship. Zudem seien zusammengenommen 617,5 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beziehungsweise Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter (in Vollzeitäquivalenten) zum 31. Dezember 2019 an den entsprechenden Lehrstühlen und im Themenbereich beschäftigt gewesen.
 

Veranstaltungen zur Gründungssensibilisierung und -qualifizerung an Hochschulen
Veranstaltungen sind der Kern der Lehre und Kompetenzvermittlung an Hochschulen. In ihnen wird auch für das Thema Gründungen sensibilisiert und qualifiziert. So gaben die teilnehmenden Hochschulen an, im Studienjahr 2019 insgesamt 7.489 gründungsrelevante Veranstaltungen durchgeführt zu haben. Diese teilen sich auf in 3.602 curriculare Veranstaltungen mit einem Umfang von durchschnittlich 4,4 ECTS-Punkten und 3.874 außercurriculare Veranstaltungen mit einer durchschnittlichen Dauer von 7,4 Stunden. Die antwortenden Hochschulen erreichten mit ihren Veranstaltungen zusammengenommen mehr als 200.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Lediglich sieben Hochschulen gaben an, keine gründungsrelevanten Veranstaltungen durchzuführen.

Die befragten kleineren Hochschulen erreichen, gemessen an ihrer Studierendenzahl, deutlich mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den Veranstaltungen als mittelgroße und große Hochschulen (17,8 Prozent bei den kleinen Hochschulen versus 11,6 Prozent bei den mittelgroßen und 8,6 Prozent bei den großen). Insgesamt ließen sich die curricularen gründungsrelevanten Veranstaltungen in knapp einem Drittel der 14.283 Studiengänge – außerhalb eines Studium Generale, Studium Universale oder
Ähnlichem – der 175 auswertbaren Hochschulen anrechnen. An knapp jeder fünften Hochschule findet eine Anrechnung in allen oder zumindest fast allen (> 85 Prozent) Studiengängen statt.

In etwa 7.500 gründungsrelevanten Lehrveranstaltungen wurden mehr als 200.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreicht.

 
An der Erstellung der gründungsrelevanten curricularen Veranstaltungen sind vor allem die Fakultäten und Fachbereiche der Sozial-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften sowie der Ingenieurswissenschaften beteiligt, die Fakultäten und Fachbereiche der Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften, der Sprach- und Kulturwissenschaften sowie der Kunst und Kunstwissenschaften tragen hier deutlich seltener etwas zum Angebot bei. Außercurriculare Veranstaltungen werden besonders häufig von den zentralen Einrichtungen und der Hochschulverwaltung ausgerichtet.

Hinweis: Im Fragebogen zum vorliegenden Gründungsradar wurden die Hochschulen gebeten, die Veranstaltungen nach Fächergruppen, betreffende Phase im Gründungsprozess sowie nach Abschlussart aufzuschlüsseln. Hier haben wir von einem signifikanten Teil der Hochschulen die Rückmeldung erhalten, dass diese Aufschlüsselung in der Hochschule nicht erhoben wird und/oder die Erhebung zu schwer sei, zudem gab es bei den gemachten Angaben viele nicht plausible Werte und Nachfragen zur Frageformulierung. Aufgrund der somit fragwürdigen Validität der Daten haben wir uns entschlossen, diese an dieser Stelle nicht zu veröffentlichen und das Erhebungsinstrument für die kommende Erhebungswelle an dieser Stelle anzupassen.
 

Vielfalt bei Lehrinhalten, -formaten, -methoden und eingesetztem Personal bei gründungsrelevanten Veranstaltungen
Das Lehrangebot ist hinsichtlich der Inhalte mit Bezug zum Thema Gründungen überaus vielfältig. So geben 168 von 183 antwortenden Hochschulen (entspricht 92 Prozent) an, dass in den gründungsrelevanten Veranstaltungen mindestens fünf der folgenden Themen abgehandelt werden:
●  Einführung in Entrepreneurship
●  Entrepreneurship Mindset (Haltung)
●  Gründungsrelevante betriebswirtschaftliche Kenntnisse
●  Businessplan
●  Ideenentwicklung und Design Sprints
●  Prototyping
●  Rechtliche und steuerliche Aspekte
●  Gründungsfinanzierung
●  Intrapreneurship
●  Soft Skills
●  Sonstiges

An 65 Prozent der teilnehmenden Hochschulen sind es sogar mehr als acht der Themen. Auch werden zumeist mehrere Lehrformate angewendet. Konventionelle Lehrformate wie Seminare, Vorlesungen, Projektarbeit und Gastvorträge finden sich bei gründungsrelevanten Veranstaltungen am häufigsten (an jeweils mehr als 80 Prozent der 183 antwortenden Hochschulen), aber auch aufwendigere Formate wie Summer Schools und Open Innovation Sprints werden immerhin an etwa vier von 10 Hochschulen angeboten. Hinsichtlich der Lehrmethoden bieten die meisten Hochschulen eine große Vielfalt an: Im Gründungsradar wurden insgesamt elf verschiedene Lehrmethoden abgefragt, von klassischen Vorträgen und schriftlichen Ausarbeitungen über verschiedene Canvas-Frameworks, Design Thinking und Prototyping bis hin zu Wettbewerbsanalysen – alle, mit Ausnahme von Effectuation-Methoden, werden von mindestens 60 Prozent der antwortenden Hochschulen in den gründungsrelevanten Veranstaltungen genutzt. Nahezu alle der befragten Hochschulen binden externe Referentinnen und Referenten in den gründungsrelevanten Veranstaltungen ein. Besonders häufig – an die 92 Prozent – Gründerinnen und Gründer, seltener, aber immer noch von über 56 Prozent, Referentinnen und Referenten von Industrie- und Wirtschaftsverbänden.

Vielfalt in gründungsrelevanten Veranstaltungen
Vielfalt in gründungsrelevanten Veranstaltungen
Vielfalt in gründungsrelevanten Veranstaltungen
Vielfalt in gründungsrelevanten Veranstaltungen

 
Zielgruppe Promovierende

Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sind für die Gründungsförderung eine besonders interessante Zielgruppe. Häufig haben sie bereits genügend Know-how erworben, um neue Technologien und/oder Geschäftsideen auch als Unternehmende voranzubringen. Entsprechend sollte die Zielgruppe bei der  Gründungssensibilisierung und -qualifizierung nicht vergessen werden. In der Gründungsradar-Befragung geben jedoch lediglich knapp 70 Prozent der 86 teilnehmenden Hochschulen mit Promotionsrecht an, dass die Themen Entrepreneurship und Gründungen in den Unterstützungsstrukturen für Promovierende (zum Beispiel Promovierendenprogramme, Graduate Schools) in Form von Veranstaltungen integriert werden.
 

Teach-the-Teacher-Programme
Eine gute Gründungsförderung benötigt Personal, das hinsichtlich Entrepreneurship Education up to date ist und dieses Thema auch mit modernsten Lehrkonzepten vermitteln kann. Kurzum: Die Qualität hängt stark von den Lehrenden ab und entsprechend gilt es, diese auch stetig weiterzuqualifizieren. Hierfür notwendige Teach-the-teacher-Programme existieren an 43 Prozent der 183 antwortenden Hochschulen. Zumeist sind derartige Programme an der Hochschule selbst verortet. Insbesondere an kleineren Hochschulen fehlen Teach-the-teacher-Programme.

Kommunikation der Unterstützungsangebote der Hochschulen im Gründungsprozess
Neben den Veranstaltungen ist die öffentlichkeitswirksame Kommunikation von Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten für Gründungsinteressierte sowie von Erfolgsgeschichten und Vorbildern aus der eigenen Hochschule ein wichtiger Beitrag zur Gründungssensibilisierung. Die Gründungsförderung sollte auf der Hochschul-Website prominent platziert sein und neuen Hochschulmitgliedern vorgestellt werden. Des Weiteren sollten die Angebote breit, das heißt über mehrere Kommunikationskanäle gestreut werden.

Eine Recherche auf den Hochschul-Websites hat ergeben, dass in 56 Prozent der Fälle die Gründungsförderung sehr schnell auffindbar ist – sie ist mit maximal zwei Klicks erreichbar. Um die 16 Prozent muss man hingegen länger, das heißt, mit mindestens vier Klicks suchen, bis man zur entsprechenden Seite gelangt. In ein paar wenigen Fällen konnten wir keine entsprechende Seite auffinden.

In der Befragung zum Gründungsradar geben 95 Prozent der 182 antwortenden Hochschulen an, ihre Angebote zur Unterstützung der Gründungsförderung über die Hochschul-Homepage zu kommunizieren, 94 Prozent im Rahmen von Veranstaltungen, 85 Prozent im Rahmen von Social-Media-Aktivitäten, 84 Prozent über Druckerzeugnisse wie Flyer und 34 Prozent über weitere Kanäle wie beispielsweise über Monitore in der Hochschule und in Mensen oder bei Messeauftritten. Studienanfängerinnen und Studienanfänger werden in der Regel recht schnell mit den Angeboten der Gründungsförderung konfrontiert: Etwa 7 von 10 Hochschulen stellen sie bei Einführungsveranstaltungen wie zum Beispiel Orientierungswochen vor. Luft nach oben besteht beim Onboarding des wissenschaftlichen Personals: Hier machen nur etwa 4 von 10 Hochschulen auf die Gründungsförderung aufmerksam. Insbesondere an kleineren Hochschulen gibt es hier öfters noch
Sensibilisierungspotenzial.